Vor mehr als 10000 Jahre hat der Mensch Schafe und Ziegen zu seinen Haustieren gemacht. Seit dieser Zeit gehören nicht nur die großen Tiere, sondern auch die „kleinen Mitbewohner“, wie Viren, Bakterien, Protozoen, Parasiten zur Nutztierhaltung dazu. Parasiten haben sich einen Lebensraum erkämpft, denn es gibt faktisch weder Schaf noch Ziege, deren Verdauungstrakt nicht mit Parasiten besiedelt ist. Die Tiere haben es jedoch geschafft, mittels ihres Immunsystems mit den Parasiten zu leben, ohne gesundheitlich beeinträchtigt zu sein.
Aufgrund unterschiedlichen Fressgewohnheiten von Schafen und Ziegen sind Schafe besser an das Vorhandensein von Parasiten angepasst. Sie haben sich während der Evolution zu Raufutterfresser entwickelt, sie grasen. Ein kontrollierter Kontakt von Schafen zu Parasiten ermöglicht eine ausreichende Immunitätsentwicklung der Jungtiere. So sind sie in der zweiten Weideperiode relativ gut vor parasitären Erkrankungen geschützt.
Ziegen entwickelten sich zu selektiven Fressern. In freier Wildbahn fressen sie bei ausreichender Vegetation lieber höher gelegene Pflanzen, Kräuter und Sträucher und sind deshalb einer viel geringeren Anzahl von Parasiten ausgesetzt. Die Ziegen in den Nutztierhaltung müssen oft wie Schafe grasen. Sie können dem Befall mit Parasiten nicht ausweichen und infizieren sich so häufiger mit den Magen-Darm-Parasiten, als in freier Wildbahn. Die Ziegenlämmer entwickeln nach Kontakt mit den Magen-Darm-Parasiten keine lebenslange Immunität. Sie können sich im Laufe ihres Lebens immer wieder infizieren. Problematisch wird es jedoch, wenn der Befall mit Parasiten zu massiven gesundheitlichen Beschwerden und damit auch zu wirtschaftlichen Schäden führt. Die Auswirkungen des Parasitenbefalls können von schlechter Zunahme, Abgeschlagenheit, blassen Schleimhäuten, stumpfen Fell oder Durchfall bis zum Tod führen,. Durch die Schwächung des Wirtstieres ist sie auch ein Wegbereiter für andere Erkrankungen.
In den letzten 50 Jahren lag der der Focus der Parasitenbekämpfung auf der regelmäßigen Behandlung der gesamten Herde mit Anthelminthika. Dies hat weltweit zur Resistenzbildung gegen diese Medikamente geführt. Um eine weitere Resistenzbildung zu verhindern, muss ein Umdenken im Umgang mit den Weideparasiten erfolgen.
In einer Herde tragen 20-30 % der Tiere (die schwächsten Tiere) 80 % der Parasitenpopulation in sich. Ziel sollte es sein, diese Tiere zu finden und zu behandeln. Mittels Management-maßnahmen kann der Parasitendruck gesenkt werden. Damit gibt man gerade den gesunden Tieren eine Chance sich mit den Parasiten auseinander zu setzen und eine Immunität aufzubauen. Je geringer der Anzahl behandelter Tiere, je geringer ist auch die Zahl resistenter Endoparasiten und damit wird der Erhalt der Wirksamkeit der Medikamente unterstützt.
Modernes Parasitenmanagement
Mit folgenden Maßnahmen kann man den Befall der Weideparasiten senken:
- Nicht Mist und Gülle auf Weide ausbringen und mit der gleichen Tierart beweiden
- Nicht bis auf die Grasnarbe abweiden lassen
- Nach Beweidung die Weide nachmähen
- Häufiger Umtrieb, im Wechsel mit Mähen und Heugewinnung
- Wenn möglich Tierarten auf der Weide wechseln
- Feuchtstellen, Gräben, Bäche und Tümpel auszäunen
- Sauberes Tränkwasser an trockenen Standorten bereitstellen
- Nur gesunde Tiere auf die Weide
- Futtermittelkonservierung mittels Trocknung (Heu) oder Silage
- Winterpause auf Weiden verlängern, damit überwinterte Larven nicht zur Infektion führen
- Zukauftiere in Quarantäne und vor Weidegang entwurmen, um den Eintrag resistenter Weideparasiten zu verhindern
- Bei Tagesweiden Auftrieb erst nach Abtrocknung des Taus
Wenn eine Behandlung notwendig ist, muss vorher geprüft werden, welche Parasiten die Tiere besiedelt haben und wie stark der Befall ist. Dabei ist es auch wichtig, die Tiere zu finden, bei denen der Befall zu parasitären Erkrankungen führt. Die sicherste Methode ist die Entnahme einer Kotprobe bei jedem einzelnen Tier. Das ist in der Praxis aus Zeit und Kostengründen kaum möglich. Aber über die Sammelkotprobe kann man feststellen, ob und welche Parasiten die Tiere in der Herde belasten. Die ersten Kotproben auf der Weide sollten frühestens 4 Wochen nach Austrieb erfolgen, da vorher noch keine Wurmeier ausgeschieden werden. Die Kotproben sollten bei Lämmern und Mutter separat entnommen werden. Über die tägliche Kontrolle der Herde können Tiere mit Durchfall, schlechter Zunahme, Abmagerung oder Kehlgangs-ödembildung erkannt werden.
Mit der Famachakarte kann an der Lidbindehaut das Vorhandensein und der Grad einer Anämie festgestellt werden. Bei starkem Befall mit Haemonchus contortus sind die Tiere stark anämisch.
Abb: Dr. Chantel Wilson et all
(Publication 4H-876, Virginia State University)
Das Ziel des Parasitenmanagements muss es sein, den Parasitendruck zu senken und eine Resistenzbildung der Parasiten gegen die Entwurmungsmittel zu verhindern.
Resistenzen können verhindert werden durch:
- Einsatz der richtigen Medikamente gegen jeweilige Parasiten
- Die richtige Dosierung des Medikamentes
- regelmäßigen Wechsel der Wirkstoffgruppe
- Stichprobenartige Kontrolle des Behandlungserfolges mittels Kotproben 14 Tage nach der Behandlung
- Quarantäne und Entwurmung der Zukauftiere vor Verbringung in die Herde
- Nach der Behandlung gegen Parasiten nicht sofort die Weide wechseln
Parasit | Magen-Darm-Strongyliden | Leberegel | Bandwurm |
Hämonchus contortus, Teladorsagia circumcincta, Nematodirus ssp. | Großer Leberegel Kleiner Leberegel | |
Dauer Lebenszyklus | ca. 3 Wochen | ca. 14-23 Wochen | ca. 14-20 Wochen |
Zwischenwirt | keiner | Schnecke, Ameise | Moosmilbe |
Symptome | abhängig vom Befall: Abmagerung, Durchfall, Ödeme, Blutarmut, selten Todesfälle | geringe Symptome, abhängig vom Befall: Appetitmangel, Apathie, Blutarmut, Ödeme, Gelbsucht, Kümmern, selten Todesfälle | bei Lämmern: Durchfall, Verstopfung, verminderte Gewichtszunahme |
betroffene Altersklassen | Lämmer, Muttern um die Geburt | Lämmer und Alttiere | Lämmer |
Immunität | gut konditionierte Lämmer entwickeln bei moderatem Befall lebenslange Immunität | keine | keine |
Zusammenfassung
Ein wichtiger Punkt in der Bekämpfung der Parasiten besteht darin, die Haltungsbedingungen und das Management so zu gestalten, dass die Tiere sich gesund entwickeln können. Dazu gehört auch eine ausreichende Versorgung mit Mineralstoffen und Spurenelementen. Man wird die Endoparasiten nicht eliminieren können. Aber durch Minimierung der Parasitenbelastung auf der Weide kann der Infektionsdruck gesenkt werden. Der Verbrauch von Medikamenten sinkt. Die Auseinandersetzung des Wirts mit den Parasiten fördert eine natürliche Immunität der Tiere und damit wird die Gesundheit und das Wohlbefinden der Nutztiere zu verbessert.
Literatur
Sissi Jaggy: Anwendung und Evaluation eines Targeted Selective Treatment in kommerziellen Milchziegenbetrieben (Diss. von 2016)
Gerold Rahmann: Ökologische Schaf- und Ziegenhaltung (3. Auflage 2010)
International Congress on the Breeding of Sheep and Goats (Bonn Oktober 2020)
Udo Moog: Grundsätze der Wurmbehandlung bei Schafen und Ziegen
Weideparasiten bei Schafen und Ziegen nachhaltig kontrollieren (Merkblatt 2019 Ausgabe Schweiz, Nr. 2515)
Tiergesundheit bei Schaf und Ziege-Parasiten (ÖBSZ 2019)
Regine Koopmann: Unterstützung der betrieblichen Endoparasitenbekämpfung der Wiederkäuer im Ökolandbau – Entscheidungsbaum für Rinder, Schafe, Ziegen (2012)
Löscher, Ungemach, Kroker: Pharmakotherapie bei Haus- und Nutztieren (7. Auflage 2006)
Sonja Thill, Jan Herr, Philip Birget: Das umsichtige Parasitenmanagement bei Rindern und Schafen Ratschläge und optimale Beweidungspraxis (1. Auflage 2019)